Die Natur                                   im Fokus der Fotografie

 

 

Öland - ein Eldorado für Vogelfotografen

Ein Wort zuvor

Seit Mitte der 1990er Jahre zog es mich von Deutschland aus immer wieder einmal in den Urlaub nach Schweden. Die abwechslungsreiche und weitläufige Natur Skandinaviens hat seit dieser Zeit für mich an Anziehungskraft nie verloren und ebenso die ruhige und zurückhaltende Art der meisten Schweden wirkte sich stets positiv auf mich aus. Intensiviert wurde dieses Interesse an den Norden Europas aber vor allem, als ich Anfang 2015 damit begann mich vermehrt mit der Wildlife-Fotografie zu beschäftigen. Die Vogelwelt, für die ich mich bereits seit meiner Kindheit interessiere, sollte für mich fortan auch bei der Wildlife-Fotografie eine ganz entscheidende Rolle einnehmen. Die unterschiedlichen Arten in ihrem Lebensraum zu begegnen, besondere Verhaltensweisen der Vögel nicht nur zu beobachten, sondern auch im Bild festzuhalten und der eigene Anspruch qualitativ immer „bessere“ Fotos von meinen Streifzügen mit nach Hause zu bringen, wurde zu einer neuen Lebensaufgabe für mich.  

Anfangs freute ich mich über jede neue Vogelart, die ich „irgendwie“ mit meiner Kamera einfangen und auf der Speicherkarte sichern konnte. Es war mir zu diesem Zeitpunkt nahezu egal, ob ein störender Ast einen Teil des Vogels bedeckte, bei einer Gegenlichtaufnahme die Farbe und Struktur des Gefieders kaum zu erkennen war oder das Motiv selbst vielleicht unscharf abgebildet wurde. Ausschließlich die Vogelart zählte zunächst. Schließlich war es für mich, der bis dahin nur Vögel in zoologischen Einrichtungen oder daheim in der Voliere fotografierte, eine neue Herausforderung, sich einem Motiv zu nähern, das sich üblicherweise vor dem Menschen versteckt oder vor ihm flüchtet. Schaue ich mir heutzutage die Fotos aus dem Jahr 2015 an, die ich zur damaligen Zeit noch als ein gut gelungenes Ergebnis meiner Fototouren betrachtete, dann stelle ich immer wieder fest, wie sich mein eigener Anspruch im Laufe der Zeit veränderte. Seit 2015 habe ich vieles dazugelernt, aber meine Art zu fotografieren änderte ich auch nach dieser Zeit nicht. So benutze ich nach wie vor äußerst selten ein Fotoversteck. Ich locke die Vögel weder mit Futter noch mit einer Klangattrappe an und begebe mich auch nicht an Orte, wo bestimmte Tiere die Anwesenheit des Menschen so sehr gewohnt sind, dass man schon mit einem Weitwinkelobjektiv zu ansehnlichen Ergebnissen gelangen könnte.

Aus dem „Irgendwie“ entwickelte sich bei mir dann schnell die Gewohnheit, gute Vogellokale in der Nähe meines Heimatortes zu suchen und Fototouren schon im Vorfeld genau zu planen. Auch Ort und Zeit meiner Urlaubsreisen richtete ich nach dem Vorkommen bestimmter Vogelarten in den Urlaubsgebieten aus. So kam es schließlich, dass ich im März 2017 auch erstmals Öland besuchte. Ich war geradezu überwältigt von der Vogelvielfalt auf dieser Ostseeinsel im südöstlichen Schweden, die sich mir in den teilweise so unterschiedlichen Habitaten offenbarte. Gewöhnlich kann man auf Öland noch viele von den mittlerweile in Teilen Deutschlands so selten gewordene Arten regelmäßig begegnen. So werden dort beispielswiese Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe), Kiebitze (Vanellus vanellus) und Sandregenpfeifer (Charadrius hiaticula) während der wärmeren Jahreszeit schnell zum gewohnten Anblick. Aber wohl auch der Kampfläufer (Calidris pugnax) kann zu diesen Arten gezählt werden. Auf Öland präsentieren sich diese Limikolen im April und Mai in Gruppen bis zu 20 Individuen und die farbenprächtigen Männchen zeigen in ihrer individuellen Gefiederfärbung dann nicht nur das für diese Vogelart fantastische Prachtkleid, sondern auch ihre beeindruckende Balz, einschließlich der ersten Kämpfe unter den Rivalen. Öland besitzt aber auch den Ruf, immer wieder ein Anziehungspunkt für Irrgäste zu sein und so ist es nicht verwunderlich, dass dieser Ort einstweilen als Magnet für Raritäten bezeichnet wird. Seitdem man in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts begann Vögel auf Öland zu registrieren, sind dort mindestens 420 Vogelarten gesichtet worden, von denen allerdings nur ungefähr 150 Spezies zu den ständigen Brutvögeln gezählt werden. Zugvögel haben ebenfalls einen großen Anteil an diesen Sichtungen, aber auch die immer wieder auftauchenden Irrgäste. Raritäten, wie die Provencegrasmücke (Sylvia undata), deren Heimat ansonsten die wärmeren Gebiete Südwest-Europas und Nordwest-Afrikas ist, oder der Wüstensteinschmätzer (Oenanthe deserti), dessen Vorkommen sich über den Norden Afrikas, dem Nahen Osten und Zentralasien erstreckt, zählen auf Öland zu den seltenen Sichtungen. Rotfußfalken (Falco vespertinus), Ringschnabelenten (Aythya collaris) und Gelbbrauen-Laubsänger (Phylloscopus inornatus) gehören in den letzten Jahren hingegen zu den regelmäßig auftauchenden Irrgästen. Selbstverständlich sind all diese guten Voraussetzungen, wie sie auf Öland vorherrschen, kein Garant für erfolgreiche Fotosafaris und so gehören neben dem Quäntchen Glück auch äußere Einflüsse zu den Dingen, die über Erfolg oder Misserfolg mitentscheiden. Beispielsweise das Wetter! Auf der flachen Insel ist der Wind allgegenwärtig. Nicht selten auch so stark, dass vor allem Kleinvögel es vorziehen, sich eher versteckt in Bodennähe aufzuhalten.

Die Vogelwelt auf Öland ist etwas Besonderes und so kann es nur von Vorteil sein, wenn man sich in Vorbereitung einer Fotoreise dorthin schon früh über die besten Örtlichkeiten zur Vogelbeobachtung und -fotografie informiert. Die Insel ist immerhin 137 Kilometer lang und bei dieser Ausdehnung stellen sich dann vielleicht einige Fragen: Wann und wo hat man auf Öland die beste Aussicht auf bestimmte Vogelarten zu treffen? Welche Landschaftsformen existieren dort? Welche Vorschriften gilt es vielleicht in dem jeweiligen Gebiet zu beachten? Nicht nur auf diese Fragen versucht dieses Buch eine Antwort zu geben.

Für die Planung einer Fotoreise nach Öland ist ein gewisses Maß an Ortskenntnis sicherlich ein Pluspunkt, auch wenn man sich diese zunächst nur aus der Literatur aneignet. Aber wie kann man seinen Erfolg auch selbst dann noch positiv beeinflussen, wenn man sich bereits auf der Insel befindet oder man von vornherein nach einer ganz bestimmten Vogelart sucht? Mir ist beispielsweise bekannt, dass es mitunter einige Vogelfotografen nur deshalb nach Öland zieht, weil dort eine reelle Chance auf die Sichtung von Ohrentauchern (Podiceps auritus) besteht. Vor Ort stellt sich dem Einzelnen dann jedoch häufig die Frage, auf welchem Gewässer halten sich diese Vögel nun ausgerechnet an den Tagen meiner Anwesenheit auf? Die Schweden selbst nutzen für solche Fälle ein Meldeprotal der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften. Dieses Online-Meldesystem ist auch in englischer Sprache verfügbar und bietet einen guten Überblick über den Meldebestand der zurückliegenden Tage in einer bestimmten Region Schwedens. Verbreitet ist aber auch ein Service, der den Mitgliedern vom „Club 300“ zur Verfügung gestellt wird. Für umgerechnet etwa 40,00 EUR im Jahr wird ein Abonnent sofort über eine App über die Vogelsichtungen informiert, die ihn in seinem näheren Umfeld interessieren. Über 2.500 Menschen nutzen allein in Schweden diesen Dienst. Wenn man einmal diese technischen Möglichkeiten ausblendet, so kann man sich vor Ort auch oft noch die gute alte Mund-zu-Mund-Propaganda zunutze machen. Denn auch bei den Schweden gilt – fragen kostet nichts!

Nun wird der eine oder andere Leser vielleicht darüber nachdenken, wie ich all diese Erfahrungen allein während meiner Urlaubsaufenthalte sammeln konnte. Diese Frage ist recht einfach zu beantworten. Ich lebe seit nunmehr einigen Jahren auf dem schwedischen Festland, unmittelbar gegenüber der Sonneninsel Öland. Die Insel ist von meinem Wohnort im Handumdrehen zu erreichen und ich nutze immer wieder auch die Möglichkeit, einige von den hier beschriebenen Orten zu unterschiedlichen Zeiten des Jahres zu besuchen. Hinzu kommt, dass die Wildlife-Fotografen in Schweden untereinander in der Regel gut vernetzt sind. So finden sich immer wieder Vogelfotografen, die sich gegenseitig bereitwillig unterstützen.

Eine Gruppe männlicher Eiderenten 

Damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch sehen, wovon ich hier schreibe, habe ich jedes Kapitel mit meinen eigenen Bildern erweitert. Zu jedem Foto finden Sie Angaben über die von mir verwendete Technik und Kameraeinstellung. Über die Aufnahmesituation werde ich in der Bildunterschrift informieren, wenn diese mit einem gewissen Aufwand verbunden war oder eventuell aufgrund eines Zufalls entstanden ist. Was den Aufwand betrifft, so bewege ich mich mit meiner Ausrüstung in den meisten Fällen fußläufig durch die Natur und nutze die Möglichkeit für ein Foto, wenn die Situation dies zulässt. Letzteres war glücklicherweise auf Öland oft der Fall und auf diese Weise entstand mit der Zeit ein großes Archiv, aus dem ich Ihnen hier gern einige meiner Arbeiten vorstellen möchte. Aus dem anfänglichen „Irgendwie“-Fotografieren ist bei mir mit der Zeit sogar eine Erweiterung meines Hobbys Wildlife-Fotografie entstanden. Seit dem Jahr 2021 beteilige ich mich erfolgreich an internationalen Fotowettbewerben und so wurden mir als Ergebnis dieser Teilnahmen für einige meiner Arbeiten auch Preise verliehen. Einige meiner Fotos sind auch in anderen Ländern Europas auf Ausstellungen gezeigt worden. Nicht selten war auf diesen preisgekrönten Arbeiten auch ein Vogel Ölands zu sehen. Damit will ich nur noch einmal unterstreichen, wie einfach es sein kann, auf Öland ein ansprechendes Motiv vor die Linse zu bekommen, ohne dass man als Fotograf aus einem Versteck heraus auf einen Vogel wartet, der sich auf die zuvor gut präparierte Sitzmöglichkeit durch einen Leckerbissen locken lässt und sich dann in bester Pose präsentiert.

Falls Sie in den kommenden Jahren eventuell selbst einmal eine Fotoreise nach Öland planen, dann würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Ihnen dieses Buch bei einer solchen Planung von Nutzen ist. Und vielleicht laufen wir uns dann auch einmal auf der Insel über den Weg.



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